Weisheiten
der Woche
Ventilsteuerung per Kette oder Zahnriemen
von ben.avery@swissroller.net, 8. 1. 2007
Steuerkette oder Zahnriemen, was ist robuster?
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Bild (1)
Das System Verbrennungsmotor
Die Entwicklung der heutigen Verbrennungsmotoren verlief in den letzten
100 Jahren wenig spektakulär. Es fand zwar eine kontinuierliche
Evolution statt, das Grundprinzip wurde aber nicht verändert. Der
Aufbau eines Verbrennungsmotor ist einfach: Benzin- oder Dieseltreibstoff
wird in den Zylinderkopf eingespritzt und mittels Zündkerzen gezündet
und verbrannt. Das Ganze geschieht übrigens mit dem lausigen Wirkungsgrad
von nur ca. 30%.
Auf
dem Bild ist das Schema eines V8-Motors ersichtlich mit den heute üblichen
obenliegenden Nockenwellen. Die Kurbelwelle gilt als Herz des Motors
und als Zentralwelle mit den einzelnen Kolben verbunden, welche in den
Zylindern auf und ab laufen. Die mechanische Steuerung der Treibstoffverbrennung
erfolgt durch die Ventile, diese öffnen den Brennraum um Treibstoff
einzuspritzen, schliessen diesen wieder und öffnen kurz darauf
den Auslass zum Auspuff, um die verbrannten Abgase über den Auspuff
zu entsorgen. Dieses öffnen und schliessen der Ventile muss zeitgenau
erfolgen und geschieht in der Praxis mit einer Kette oder eines Zahnriemens
welche die Verbindung der Ventilsteuerung mit der Kurbelwelle vornimmt.
Wenn
etwas direkt angetrieben werden muss, kommt meist eine Kette oder ein
Zahnriemen zum Einsatz. Die Kette ist jedem Laien gut bekannt vom Fahrrad
oder Motorrad. Den Zahnriemen kennt man vielleicht vom amerikanischen
Motorrad Hersteller Harley-Davidson, der setzt beim Sekundärantrieb
vom Getriebe zum Hinterrad meist auf einen breiten Zahnriemen.
Kette
Die Geschichte der Kette ist sehr alt, im 2. Jahrtausend vor Christus
wurden bereits Gliederketten als Schmuck getragen.
Leonardo da Vinci (1452 bis 1519) machte oft Zeichnungen von Gelenkketten.
Der Engländer P. White erhielt 1634 für die erste eiserne
Ankerkette ein frühes Patent. Ihre Bedeutung errang die Kette aber
erst mit Einsetzen der Industrialisierung. Der Franzose André
Galle erfand 1829 die nach ihm benannte Gallkette und der Schweizer
H. Renold erwarb 1880 in England das Patent für die Stahlgelenkkette.
Danach setzte die Kette ihren Siegeszug fort, sie wurde im Bergbau,
in der Landwirtschaft und überall sonst eingesetzt, da sie nun
durch die industrielle Fertigung in grossen Mengen verfügbar war.
Heute gibt es eine
ganze Reihe von verschiedenen Kettenarten, die Rollenkette hat in der
Technik die grösste Bedeutung und Verbreitung erlangt. Anwendung
findet die Rollenkette in allen erdenklichen Kettentrieben, z. B. am
Fahrrad und Motorrad, beim Automobil sowie in vielen Antrieben an Maschinen.
Grundsätzlich gilt die Kette immer noch als effizienteste Antriebsmethode
Methode. Jede Art von Getriebe hat einen schlechteren Wirkungsgrad,
d. h. man verliert Leistung. Darum ist es auch nicht verwunderlich,
dass im gesamten 2-Rad-Bereich (Motorrad, Velo, etc.) fast ausschliesslich
die Rollenkette im Antriebsbereich eingesetzt wird. Alternativen wie
zum Beispiel der Kardanantrieb (=Antrieb über ein Getriebe) der
z. Bsp. bei BMW Motorrädern sehr beliebt ist, sind zwar auch gut,
sind aber nicht gleich effizient und haben einen schlechteren Wirkungsgrad.
Vorteile Kette:
robust
kann gewaltige Drehmomente übertragen
hält normalerweise ein Motorenleben (>300'000 km) lang
Nachteile Kette:
muss geschmiert werden (läuft normalerweise im Oelbad)
schwerer als Zahnriemen
teuer als Zahnriemen
Zahnriemen
Die Geschichte des Zahnriemens beginnt erst später, er ist aus
den normalen Keilriemen entstanden. Der Zahnriemen besteht heute aus
Kunststoff (früher Gummi), der im Zugstrang durch Glascord (früher
Stahldraht) und an dessen Rücken durch Polyamidgewebe verstärkt
ist. Eine temperaturbeständige Zwischenschicht sorgt für gute
Zusammenarbeit der beiden. Zusätzlich ist ein bestimmtes Gewebe
- ebenfalls aus Polyamid - in den Zähnen verarbeitet. Der Zahnriemen
wurde vor allem in Europa gefördert, er hat viele Vorteile, so
muss er im Gegensatz zu einer Kette nicht geschmiert werden. Er ist
auch leichter als eine Kette, der wichtigste Vorteil ist aber sein Preis,
er ist wesentlich günstiger als eine Kette.
Vorteile Zahnriemen:
günstig
leicht
keine Schmierung notwendig
Nachteile Zahnriemen:
kurze Lebensdauer
schnelle Alterung der Kunststoffe
reisst ohne Vorwarnung
empfindlich gegen Öl und Frostschutzmittel
empfindlich beim Einbau auf Knickstellen
grösserer Platzbedarf als schmale Kette
Geschichte der Ventilsteuerung
Bei älteren Motorkonstruktionen findet man noch untenliegende Nockenwellen,
die über Stösselstange und Kipphebel die Ventile betätigen
(Beispiele: VW Käfer, Motorräder von BMW der älteren
R-Serien, Harley-Davidson). Motoren mit obenliegendem Ventiltrieb zwar
seit Beginn des 20. Jahrhunderts bekannt, sie galten früher als
teuer im Unterhalt. Ende der 1950er schafften die Motoren mit obenliegender
(OHC = Overhead Camshaft
bzw. Double Overhead Camshaft)
den Durchbruch.
Die Deutschen
haben als erste bemerkt, dass mit dem Einbau von kostengünstigen
Zahnriemen die Kosten pro Motor gesenkt werden konnte. Im
Vergleich zu Ketten sind Zahnriemen billiger, benötigen wenig Platz,
keine Schmierung und laufen leise. Als Erfinder des Steuerzahnriemens
gilt der Dingolfinger Landmaschinenhersteller Hans Glas.
Der Fluch
des Zahnriemens
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Bild (2)
Der
Zahnriemen galt lange als leiser Nachfolger der Steuerkette. Während
Mercedes-Benz und BMW nach wie vor auf die teuren Steuerketten aus Stahl
setzen, bevorzugen die meisten anderen Hersteller mittlerweile einen
Nockenwellenantrieb per Zahnriemen. Obwohl die Entwicklung bei den Zahnriemen
stark vorangetrieben wurde, ist der Zahnriemen gegenüber einer
Steuerkette nicht konkurrenzfähig. Anders als eine robuste Stahlkette
hat der Zahnriemen eine massiv tiefere Lebensdauer. Weil Zahnriemen
plötzlich und ohne jegliche Vorankündigung reissen, müssen
Zahnriemen je nach Anwendungszweck regelmässig ersetzt werden.
Auswirkung eines gerissenen Zahnriemens
Als Sekundärantrieb eines Systems passiert nicht viel,
der Antrieb wird einem Ausfall eines Zahnriemens einfach ausfallen.
Anders aber beim Einsatz eines Zahnriemens als Ventilsteuerung im Auto.
Wenn der Zahnriemen reisst, bleiben die Tassenstössel der Ventile
offen und die nach oben sausenden Kolben knallen gegen die Ventile.
Das Resultat ist in den meisten Fällen ein kapitaler Motorenschaden.
Darum
müssen Zahnriemen regelmässig ersetzt werden. Die
Wechselintervalle eines Zahnriemens liegt typischerweise zwischen 45'000
und 120'000 km. Stärkere Autos haben einen grösseren Zahnriemenverschleiss
und darum müssen diese häufiger ausgetauscht werden. Für
die Haltbarkeit des Riemens ist auch die korrekte Spannung wichtig,
weshalb häufig die Spannmechanik (Rollen, Federn, Führungen)
mit gewechselt und die Spannung anschliessend neu justiert werden muss.
Aufwändig ist dies vor allem bei V-Motoren mit zwei Nockenwellen
je Zylinderreihe (Bsp. Audi, Alfa Romeo, Ferrari und Spitzenmodelle
anderer Hersteller), da hier eine Vielzahl von Umlenkrollen zum Einsatz
kommen. Bei den älteren Modellen (F40, 512 Testarossa, etc.) schrieb
Ferrari seinen Kunden sogar einen Wechselintervall von 20'000 km oder
spätestens alle 2 Jahre vor.
Kosten Zahnriemenwechsel
Zu den Hauptvorteilen des Riementriebs zählen die niedrigeren Produktionskosten.
Allerdings summieren sich im Lauf der Zeit die Werkstattkosten, denn
bei der Dauerhaltbarkeit hat der Zahnriemen noch Defizite. Während
Ketten in der Regel ein Motorenleben lang halten, müssen Zahnriemen
alle 45'000 bis 120'000 Kilometer getauscht werden. Wer die Wechselintervalle
nicht ernst nimmt, geht ein grosses Risiko ein. Denn reisst der Riemen,
ist meist ein wirtschaftlicher Totalschaden die Folge, der Kunde hat
keine Wahl.
Die ADAC-Pannenstatistik für Deutschland nennt klare Zahlen: Während
beim 3er-BMW mit Kettensteuerung in den letzten fünf Jahren kein
einziges Auto einen Motorschaden durch Kettenriss erlitt, mussten im
gleichen Zeitraum 83 Golf TDI mit gerissenem Zahnriemen geborgen werden.
Das Hauptproblem
ist nicht nur der Ersatz des Zahnriemens, sondern der Gesamtaufwand
inkl. Arbeit und allenfalls zusätzlichem Material wie Spannroller,
Dichtungsmaterial, etc.. Die Kosten liegen aber in jedem Fall - auch
bei einem kleinen Auto - über CHF 500.- bis mehrere Tausend Franken
je nach Modell. Weil ein gerissener
normalerweise Zahnriemen normalerweise zu einem Totalschaden führt,
hat der Kunde keine Wahl.
In der Schweiz berechnet der VW-Audi Importeur AMAG einen Stundensatz
von CHF 150.- für Servicearbeiten. In der Praxis bedeutet das einen
Kostenaufwand für einem Zahnriemenwechsel bei einem Audi Coupe
S2 von über CHF 2000.-. Bei diesem Modell muss der Zahnriemen alle
120'000 getauscht werden. Die neueren S6-Modelle sollen noch erheblich
teurer sein, allerdings kein Vergleich zu Ferrari & Co.
Aus Sicht der Auto Hersteller sind Zahnriemen ein zusätzliches
bequemes Geschäft. Beim der Motorenherstellung spart der Hersteller
Geld durch den Einkauf von billigen Kunststoff Zahnriemen und später
muss der Kunde regelmässig den Zahnriemen auf eigene Kosten ersetzen
lassen. Die Hersteller hat quasi eine Sollbruchstelle für seine
Kunden eingebaut.
Einzelne Hersteller
halten der Kette aus Gründen der Betriebssicherheit die Treue:
Mercedes-Benz lehnt grundsätzlich Zahnriemen für den Ventiltrieb
ab und verbaut seit den 50er Jahren ausschliesslich Steuerketten. Mercedes-Benz
beliefert viele Taxiunternehmungen, diese fahren normalerweise mehrere
100'000 km mit einem Fahrzeug - mit der original Steuerkette. Weitere
Hersteller sind nach zwischenzeitlicher Umstellung auf Zahnriemenantrieb
wieder auf die wartungsfreie und im Ölbad perfekt geschmierte Zahnkette
zurück gegangen, so BMW bei den 6-Zylinder-Motoren und Audi bei
neuen V8 Motoren der S-Serie. Die meisten amerikanischen Hersteller
haben gar nie auf den vermeintlich modernen Zahnriemen gewechselt, sondern
sind bei der robusten Kette geblieben (Bsp. Chrysler Jeep)
Fazit Kette
oder Zahnriemen
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Bild (3)
Für die Ventilsteuerung in einem Auto ist der Kettenantrieb die
wesentlich bessere und robustere Lösung. Eine moderne Stahlkette
hält das gesamte Motorenleben lang und muss nicht ausgetauscht
werden. Europäische Autohersteller haben Ihre Kunden während
Jahrzehnten mit
den wartungsintensiven und darum teuren Zahnriemen bei der Ventilsteuerung
betrogen. Interessant ist, dass sogar Ferrari beim neuen F430 auch auf
Kettenantrieb umgestiegen ist. Die Liste der Ausrüster mit kundenunfreundlichen
Zahnriemen ist leider immer noch lang: Opel, VW, Fiat, Ford, Renault,
Peugeot, Audi (ausser beim V8-Motor), etc...
Bei Kleinwagen mit
Zahnriemen würde ich aber beim Garagisten aber auf jeden Fall auf
einen kostenlosen ersten Zahnriemenwechsel pochen.