Weisheiten
der Woche
Swissroller's
kleine Wissensdatenbank (Woche für Woche
schlauer werden...)
Schlafen wir genug?
von Tom Hermes, 30. 5. 2006
In
der modernen Leistungsgesellschaft achten viele Menschen zu wenig auf
ihr Schlafverhalten.
Der Mensch schläft
um sich zu erholen. Doch was ist eigentlich Erholung, und wie funktioniert
sie? Was im menschlichen Körper während des Schlafens genau
passiert, ist wissenschaftlich noch wenig geklärt. Dies hängt
vor allem damit zusammen, dass man ein schlafendes Lebewesen und seine
Gehirnaktivitäten nur schwer untersuchen kann, ohne dabei dessen
Schlaf zu stören. Fest steht einzig, dass Schlaf lebensnotwendig
ist. Da sich der menschliche Körper vor einem etwaigen Tod durch
Schlafentzug allerdings selbst rettet indem er schlicht einschläft,
sich also automatisch holt, was er braucht, scheint es, als gäbe
es keinen Anlass zur ausgiebigen Auseinandersetzung mit dem Thema Schlaf.
Doch dies ist ein weit verbreiteter Irrtum. Es ist nämlich nicht
nur wichtig überhaupt zu schlafen, sondern dies auch ausreichend
und auf erholsame Weise zu tun.
Verschiedene Studien
der letzten Jahre aus Industrieländern dieser Welt zeigen an, dass
die Menschen immer weniger und immer schlechter schlafen. Jeder Mensch
entwickelt einen individuellen Schlafbedarf, der von fünf bis zehn
Stunden täglich reichen kann. Im Durchschnitt benötigen die
Menschen ungefähr acht Stunden Schlaf. In Deutschland schlafen
die Menschen einer Studie von Maurice Ohayon und Jürgen Zulley
zufolge aber nur noch 7 Stunden und 14 Minuten durchschnittlich.
Schätzungsweise 10 Prozent
der Schlafenden kämpfen mit schweren Schlafstörungen. Weitere
20 bis 50 Prozent haben regelmässig mittlere oder leichte Schlafstörungen,
die oftmals einfach zu beheben wären, würden sie nur erkannt
und behandelt werden. Doch in der modernen Gesellschaft gerät Schlaf
immer mehr aus dem Blickfeld. Offenbar herrscht ein akuter Mangel an
Aufmerksamkeit diesem zwar alltäglichen, aber nicht bewusst erfahrbaren
Lebensbereich eines Jeden gegenüber.
Schlaf umfasst eine Vielzahl
von Prozessen des vegetativen Nervensystems, die völlig autonom
ablaufen und nicht dem eigenen Willen der Person unterworfen sind. Geregelt
wird der Schlaf durch das Tageslicht. Taktgeber ist der Nucleus supra-chiasmaticus
in der Hirnanhangdrüse. Er sitzt über der Kreuzung der Sehnerven
und gibt jeweils das Signal für eine hormonale Kettenreaktion.
Nachts wird verstärkt Melatonin produziert, tagsüber mehr
Serotonin. Diese Neurotransmitter senden chemische Botschaften an andere
Bereiche des Gehirns, in denen dann der Schlafprozess gesteuert wird.
Neben der körperlichen
Erholung erfüllt der Schlaf noch eine weitere Funktion. Im Schlaf
wird zuvor Erlebtes verarbeitet, Gelerntes wird gespeichert. Das Phänomen
der Träume ist Indiz für diesen Vorgang. In einer Studie zu
Sprachlernprozessen zeigte sich, dass Menschen von zwölf Stunden
zuvor erlernten Fähigkeiten mehr abrufen konnten, wenn sie in der
Zwischenzeit geschlafen hatten.
Ein weiteres Hoch an schlafförderndem
Melatonin ist übrigens mittags zu beobachten, der Mittagsschlaf
ist also biologisch begründet. Viele grosse Geister wie Mozart,
Napoleon oder Einstein sollen mittags Nickerchen gehalten haben. Ein
genereller positiver Effekt des Mittagsschlafes ist allerdings nicht
nachgewiesen. Wer auch ohne Mittagsschlaf gut ausgeruht ist, braucht
sich also keine Sorgen zu machen. Für Menschen, die nachts schlecht
einschlafen ist sogar eher von einer „Siesta“ abzuraten.
Wie wichtig Schlaf ist zeigt
sich insbesondere daran, dass Schlafstörungen (Dyssomnien) das
Wohlbefinden, die Leistungsfähigkeit und in schweren Fällen
sogar die Gesundheit eines Menschen in ernst zu nehmendem Masse beeinträchtigen.
Haupttypen der Schlafstörungen sind Insomnie (Schlaflosigkeit bzw.
Durchschlafstörungen), Hypersomnie (Tagesschläfrigkeit) und
Störungen des Wach-Schlaf-Rhythmus’. Eine Sammelbezeichnung
der Medizin für alle Arten von Schlafproblemen lautet: „Nicht
erholsamer Schlaf“.
Es lassen sich Beziehungen
zwischen nicht erholsamem Schlaf auf der einen Seite und Lern-, Gedächtnis-
und Motivationsproblemen sowie Konzentrations- und Aufmerksamkeitsdefiziten
auf der anderen Seite beobachten. Neben der Minderung der Lebensqualität
bedeutet zuwenig Schlaf auch ein erhöhtes Unfallrisiko und verminderte
Leistungsfähigkeit am Tage. Anhaltende gesundheitliche Schäden
sind dagegen nur bei wirklich schweren Schlafstörungen zu befürchten.
Die individuellen
Schlafstörungen unterscheiden sich stark voneinander. Die meisten
Hypersomnien sind intrinsisch, gehen also tatsächlich auf Krankheiten
der Insomnien ist dagegen extrinsisch, d.h. er resultiert aus Umwelteinflüssen
oder eigenem Fehlverhalten. Zum Beispiel können eine falsche Zimmertemperatur,
Umweltlärm, ein unbequemes Bett, unregelmässige Schlafzeiten,
aufregende bzw. anstrengende Aktivitäten vor dem Schlafengehen
und vor allem psychischer Stress Ursachen massiver Schlafstörungen
sein. Der
Schlafende schläft dann schlecht ein, wechselt hektisch zwischen
den Traum- und den Tiefschlafphasen und wacht häufig wieder auf.
Einmal erkannt, lassen sich extrinsische Schlafstörungen meist
durch bewusstes Ändern des Schlafverhaltens vollständig beseitigen.
Vor einem Arztbesuch
sollte man sich in jedem Fall 4 Fragen stellen:
- liegen störende
Umwelteinflüsse vor?
- ist der
Tagesrhythmus extem unregelmässig?
- wurden schlafstörende
Substanzen (z.B. Alkohol oder Kaffee) eingenommen?
- sind die
Schlafprobleme vielleicht bloss Symptome einer anderen psychiatrischen
und/oder organischen Erkrankung?
Erst wer diese Fragen
verneinen kann, sollte eine Schlafmedizinische Behandlung in Erwägung
ziehen, weil er möglicherweise an einer intrinsischen Schlafstörung
leidet. Eine vollständige Untersuchung über Nacht in einem
Schlaflabor führt meist nach dem ersten oder zweiten Mal zu einer
sicheren Diagnose.
Fazit der medizinischen
Theorie ist, dass viele Menschen ihre Schlafstörungen mit ganz
einfachen Mitteln selbst in den Griff bekommen könnten. Schwierig
ist es nur, die Massnahmen auch durchzuhalten. Für Schichtarbeiter
etwa oder für Menschen mit sozialen und finanziellen Nöten
ist es nicht ganz so einfach, ihr Schlafverhalten dauerhaft regelmässig
und stressfrei zu gestalten.
Eine repräsentative
Umfrage von Prof U. Meier zum Schlafverhalten der Menschen in Deutschland
zeigte, dass jede Alters- Berufs- und jede soziale Gruppe ihre ganz
speziellen Gründe für Einschlaf- und Durchschlafprobleme hat.
Während den Jüngeren in erster Linie familiärer, beruflicher
oder finanzieller Stress den Schlaf raubt, sind es bei den Älteren
eher körperliche Beschwerden, häufig in Zusammenhang mit schlechter
Ernährung und zu wenig Bewegung.
Mangel an sozialer
Anerkennung oder das Fehlen eines Feierabendgefühls rauben vielen
Arbeitslosen und Hausfrauen den Schlaf, das könnte auch der Grund
dafür sein, dass bei Frauen generell mehr Schlafstörung beobachtet
werden. Die Schlaflosigkeit von Selbständigen hängt oft mit
deren finanzieller Unsicherheit zusammen. Menschen in hohen Positionen
kämpfen häufig mit der Verantwortung und der Arbeitsüberlastung.
Lösungsansätze fallen entsprechend individuell aus.
Die wohl wichtigste
Lösung bei Schlafproblemen: Man muss Druck von sich abfallen lassen.
Das kann nur schon der Druck sein, gut zu schlafen. Diese Weisheit gilt
aber auch für das allgemeine Wohlbefinden des Menschen. Der "Teflon-Mensch"
lässt zuviel Druck schon gar nicht an sich herantreten, er lässt
Probleme und Druck im täglichen Leben einfach an der Teflonschicht
abgleiten. Die Lösung für hilfsbereite Menschen: Man kann
nicht alles machen. Und für Perfektionisten: Öfter mal eine
80%-Lösung akzeptieren und nicht alles so ernst nehmen. Verantwortung
auch an an andere Menschen übertragen und ihnen die Chance geben,
Fehler zu begehen. Denn nur daraus können diese nachhaltig lernen.
In reichen Ländern wie der Schweiz haben viele wohlhabende und
reiche Bürger ein Schlafproblem. Die Sicherung und Verwaltung des
persönlichen Vermögens kann ein Riesenstress sein. Auch hier
gilt: Loslassen! Schon mancher Senior konnte nach der frühzeitigen
Aufteilung seines Vermögens entspannter und geruhsamer schlafen.