Weisheiten der Woche


Swissroller's kleine Wissensdatenbank (Woche für Woche schlauer werden...)

Die Fakten der ersten Juniwoche von Tom Hermes, 7. 6. 2006

Der Vatikan, da wo der Papst Chef ist

Der Vatikan
Der Grundbesitz der römischen Kirche war schon im Altertum durch Schenkungen auf ein erkleckliches Mass angewachsen. Durch die Zentralgewalt in Person des Papstes hatte man fast schon einen richtigen weltlichen Staat vor sich. Dann, nach dem Zerfall des weströmischen Reiches und dem Niedergang der byzantinischen Herrschaft im Westen, beschlossen die Päpste, das lästige Machtvakuum zu füllen. Man zückte ein überraschend aufgetauchtes Schriftstück aus einer Schublade, das klar bewies, das Kaiser Konstantin vor einigen hundert Jahren schon der Kirche die westliche Hälfte des römischen Reiches geschenkt hatte und damit den irdischen Anspruch der Kirche legitimierte.

Traditionellerweise muss man für so einen grosszügige Spende die Tochter des Kaisers heiraten, aber das fiel niemandem auf, genauso wenig, wie die Tatsache, dass die Tinte auf dem "alten" Dokument noch feucht war. Die "Konstantinische Schenkung" war also ein Vorläufer der Hitlertagebücher.
Papst Stephan II. legte im Jahr 753 erstmals diese Urkunde dem Frankenkönig Pippin III. vor, um ihn zu überzeugen, dass da doch wohl ein Anspruch bestünde und Pippin deshalb bitte der Kirche gegen die bösen Langobarden beistehen müsse. Dafür würde die Kirche dann aber auch die Dynastie des Königs offiziell legitimieren. (Stephan II. war übrigens der zweite Stephan mit dieser Nummer. Vor ihm war schon ein ältlicher Presbyter zum Papst gewählt worden, hatte sich Stephan II. genannt, war aber verstorben, bevor er geweiht werden konnte. In den Papstlisten herrschte dann Jahrhunderte lang Verwirrung wie Stephan II. (III.) den nun genannt werden sollte. Was für Zeiten.

Die dreiste "konstantinische Fälschung" wurde dann doch noch legitimiert. Pippin III., legalisierte mit der nach ihm benannten "Pippinischen Schenkung" die zweifelhaften Ansprüche der Kirche und alle waren zufrieden. Nach dem Tod des verfeindeten Langobardenkönigs unterstützte die Kirche dann noch frech die Wahl des Nachfolgers und wurde mit einigen Wahlgeschenken wie der Stadt Bologna belohnt.

Im Jahr 800 krönte Papst Leo III. dann auch Pippins Sohn, Karl den Grossen, zum Kaiser und sicherte sich so dessen Schutz vor bösen Menschen, die die Rechtmässigkeit der ganzen Schenkerei eventuell an- und ausfechten wollten. Der Titel Kaiser war seit 476 in Westeuropa nicht mehr geführt worden. Ausserdem führte der Papst auch gleich das Konzept der Gottesgnadenschaft mit ein, das die deutschen Kaiser bis 1918 sich als Herrscher von "Gottes Gnaden" fühlen liess.

Hauptstadt des neuen Kirchenstaates wurde Rom. Der Papst zog in den Lateranpalast ein und war froh. Der Vatikanspalast wurde erst nach der Rückkehr aus dem Exil in Avignon zum Papstsitz.

Im 16. Jahrhundert erreichte der Kirchenstaat seine grösste Ausdehnung. Nach der französischen Revolution setzte eine Umgestaltung Europas durch Napoleon Bonaparte ein, die auch am Kirchenstaat nagte. Der Wiener Kongress stellte den Kirchenstaat zwar weder her, aber die bald darauf einsetzende Einigungsbestrebung, das Risorgimente, führte letzendlich dazu, dass das gesamte Gebiet des Kirchenstaates italienisches Staatsgebiet wurde. Das gesamte Gebiet? Nein, eine tapfere kleine Parzelle mitten in Rom wollte sich nicht eingemeinden lassen. Die Sturheit wurde belohnt: 1929 schloss Mussolini mit der Kirche die "Lateranverträge" ab, der souveräne Vatikanstaat war entstanden. Nebenbei wurde der Katholizismus Staatsreligion in Italien, ein Zustand der erst 1985 aufgehoben wurde.

Der Vatikan ist satte 0,44 km2 gross und fast komplett von einer Mauer umgeben. 20% dieser Fläche nimmt alleine die Petersbasilika ein. Einige exterritoriale Gebiete wie S. Maria Maggiore, der Lateranspalast und die päpstliche Sommerresidenz Castelgandolfo ausserhalb der Vatikanstadt gehören allerdings auch noch dazu.

Ein schmaler Streifen an der Aussenseite der rechten Kollonaden des Pertersplatzes ist italienisches Territorium hier befinden sich Post und Toiletten. Ein anderer Teil innerhalb des Vatikangeländes auf dem die Audienzhalle Pauls VI., die Kongregation für Glaubenslehre und der "deutsche Friedhof" Campo Santo Teutonico liegen gehört ebenfalls zu Italien, befindet sich aber im Besitz des Heiligen Stuhls und geniesst exterritorialen Status. Jede Kirche innerhalb Italiens, in der der Papst religiöse Zeremonien durchführt zu denen die Öffentlichkeit keinen Zugang hat gilt während diese Zeitraumes ebenfalls als exterritorial.

Absolutes Staatsoberhaupt ist der Papst, der alle drei Gewalten in sich vereint. Das gibt's sonst auch nicht mehr oft. Der Vatikan hat eigenes Geld, das praktisch nur an Sammler ausgegeben wird. Die Wertschöpfung ist erheblich: ein kompletter Vatikan-Eurosatz kostet je nach Ausgabejahr zwischen 700 und 1000 Euro. Im Einkauf gibt es ihn für 3,88. Es gibt eigene Briefmarken, und eine eigene Telefonzelle. Für die vatikanische Telefonzelle gibt es auch Telefonkarten, die nur in dieser einen Zelle funktionieren. Italienische Karten tuns aber auch.
Wie jeder ordentliche Staat besitzt man einen Radio- und TV-Sendern und eine eigene Zeitung. Der "Osservatore Romano" erscheint in mehreren Sprachen. Mit der Schweizer Garde hat der Vatikan die wohl originellste Armee aller Staaten. Das Miniheer besteht komplett aus katholischen Schweizern, die in hübschen bunten Uniformen in den Farben der Medici den Papst bewachen.

Als Kuriosum vergibt der Vatikan seine Staatsbürgerschaft nur auf Zeit und an ein bestimmtes Amt gebunden. Die knapp 500 Staatsbürger behalten ihre ursprüngliche Staatsbürgerschaft bei. Das macht den Vatikan zu dem einzigen Staat, der seine Bevölkerung nicht durch natürliche Vermehrung erhält, sondern durch Zuwahl. Und er ist sehr wählerisch.
Der Vatikan hat die UN-Menschenrechtskonventionen nicht ratifiziert. Da diese jede geschlechtsabhängige Diskriminierung verbietet, hätte man sich auch gewisse Probleme eingekauft.
Im Vatikan gibt es eine Apotheke, die Medikamente anbietet, die in Italien nicht erhältlich sind. Mit einem Rezept kann man auch als "normaler" Römer dort einkaufen. Normalerweise benötigt man ein Visum wenn man in den "inoffiziellen" Vatikan will, sonst gibts was mit der Hellebarde.

Das Autokennzeichen des Kirchenstaates lautet "SCV" "Stato della Citta del Vaticano" und wird von gehässigen Römern gerne mal mit "Se Christo videsse" "Wenn Christus euch sehen könnte" übersetzt. Das amtierende Papamobil hat die Autonummer SCV 1.