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Superkaviation
von Tom Hermes, 14. 6. 2006 Superkavitation
tritt bei Objekten im Wasser ab einer Geschwindigkeit von ca. 180 km/h
auf. Durch die hohe Reibung im Wasser verdampft das Wasser und bildet
eine Gasblase, die das Objekt vollständig umschliesst. Dadurch
wird die Reibung massiv heruntergesetzt und der Physik ein Schnippchen
geschlagen, die bestehende Höchstgeschwindigkeit von 60-80 km/h
unter Wasser gilt nicht mehr. Der traditionelle Wasserantrieb in Form
einer Schiffsschraube wird durch einen schnellen Feststoff-Raketenantrieb
ersetzt. Damit haben diese Torpedos unter Wasser keine Gegner. Die Dinger haben jedoch den Nachteil der schwiergen Steuerung unter Wasser. Die ersten Modelle konnten nur gerade auf ein Ziel ausgerichtet werden und abgefeurt werden, eine Steuerung war nicht möglich. Es gibt nun Gerüchte, dass die aktuellsten russischen Modelle auch eine einfache Steuerungsmöglichkeit durch Seitenflossen haben. Bestätigt wurde das Gerücht jedoch nicht, das Thema ist ziemlich geheim. Bei den Seitenflossen wäre das Problem, dass diese das Wasser erreichen müssten und dadurch das Geschoss bremsen würden.
Die USA beschäftigt sich natürlich auch schon eine ganze Weile mit diesem Thema und haben schon viele Labortorpedos auf die Reise geschickt. Testtorpedos sollen sogar auf über 5'000 km/h unter Wasser "geflogen" sein. Ein brauchbares Kriegsprodukt scheinen die Amerikaner in diesem Feld bis heute aber nicht zu haben. Nun greifen die Deutschen als führende Technologie-Nation dieses Thema ebenfalls auf. Die Deutsche Marine hat mit dem Technologiekonzern Diehl BGT Defence aus Überlingen am Bodensee ein Hochgeschwindigkeitstorpedo vorgestellt. Der aktuelle Barracuda bedient sich ebenfalls der Superkaviation und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 800 km/h.
Kavitation ist vom lateinischen Wort cavus (=hohl) abgeleitet. Gemeint ist damit die Bildung von Blasen in einer Flüssigkeit. Solche Blasen entstehen nicht nur, wenn man eine Flüssigkeit erwärmt, sondern auch, wenn der Druck in einer Flüssigkeit stark absinkt. Dann werden die Moleküle nicht mehr zusammengehalten und fliegen auseinander. Damit entstehen auch grosse und kleine Dampfblasen. Steigt der Druck wieder an, fallen diese Blasen schlagartig in sich zusammen, sie implodieren. Dabei können Druckspitzen bis 1000 bar und hohe Temperaturen bis 5'500°C entstehen. Kavitation entsteht zum Beispiel an sich schnell drehenden Schiffsschrauben oder in Pumpen, weil sich dort an bestimmten Stellen kurzfristig extremer Unterdruck bilden kann. Durch die enormen Druckspitzen kann die Kaviation sogar Schiffschrauben aus hochfestem Stahl beschädig. In Extremfällen kann in einer solchen Dampfblase einer Schiffsschraube sogar den Kontakt zum Wasser verlieren und wie im Leerlauf durchdrehen. Ende der 70er Jahre konnte der Russe Merkulov der Parteiführung stolz einen Prototypen vorstellen: Das Torpedo wurde in einem Abschussrohr auf 180 km/h beschleunigt. Hatte sich dann die Kavitationsblase gebildet, zündeten die Raketenmotoren. Ab jetzt flog das Projektil in einer Blase aus Wasserdampf und fast jeder Reibungswiderstand war aufgehoben. Nur die Spitze des Torpedos stemmte sich noch gegen das Wasser. Diese Spitze war so geformt, dass sie die Bildung der Kavitationsblase unterstützte. So konnte der neuartige Unterwasser-Flugkörper Geschwindigkeiten über 350 Kilometer erreichen und war damit allen Torpedos der Nato weit überlegen. Die neue Waffe hatte aber auch Nachteile: Mit 8 Metern Länge und 3 Tonnen Gewicht war sie wie ein grosses Geschoss mit einer Rakete am Ende: Sie konnte nur geradeaus "fliegen“. Doch die Vorteile der Schnelligkeit überwogen und so wurde die neuartige Waffe gebaut. Eine Gruppe deutscher Wissenschaftler und Techniker arbeiteten unterdessen in Überlingen am Bodensee bereits seit geraumer Zeit an einer ganz ähnlichen Technik. Denn die Erforschung der Superkavitation hat nicht nur in der Sowjetunion, sondern auch im Westen eine lange Geschichte. Bereits während
des zweiten Weltkrieges hatte man die ersten theoretischen und experimentellen
Überlegungen angestellt, wie man das Phänomen der Kavitation
für Unterwasserwaffen ausnutzen können. Auch nach dem Ende
des Krieges wurde in Deutschland, Italien, Grossbritannien und den USA
intensiv daran geforscht, es wurden sogar insgesamt fünfzehn Patente
angemeldet. Dazu musste der
Unterwasserflugkörper vor allem lenkbar sein und möglichst
selbständig sein Ziel finden. Die Forscher mussten eine bewegliche
Raketenspitze entwickeln, mit der sie ihren Flugkörper lenken konnten.
Denn die Spitze des Barracuda ist die einzige Stelle, die Kontakt mit
dem Wasser hat. Mit dem Lenksystem im Kopf der Unterwasserrakete kann
diese nicht nur seitwärts, sondern auch nach oben oder unten gesteuert
werden. Der Barracuda ist damit das modernste aller Unterwassertorpedos. Doch dann tauchte noch ein weiteres Problem auf: Die Grösse und die Form der Kavitationsblase hängt vom Wasserdruck ab. Der Wasserdruck steigt an, je tiefer man im Wasser hinabsinkt. Bei steigendem Druck wird die Blase jedoch kleiner, der Strömungswiderstand steigt und das Gefährt wird abgebremst. Wollte man ein den Unterwasserflugkörper also in einem grösseren Tiefenbereich einsetzen, musste die Blase künstlich vergrössert werden. Mit einem ausgetüftelten System bekamen die deutschen Techniker auch dieses Problem in den Griff. Sie leiten gezielt eine berechnete Menge Gas in die Kavitationsblase und blähen sie so, je nach Wassertiefe, künstlich auf. Die langjährige Tüftelei hat sich ausgezahlt. Der „Barracuda V3“ hat bereits eine ganze Reihe erfolgreicher Tests hinter sich gebracht. Und ganz nebenbei konnte man auch noch einen neuen Geschwindigkeitsrekord aufstellen. Mit bis zu 800 Stundenkilometer kann der Unterwasserflugkörper made in Germany durch das Wasser schiessen und dank seiner Lenkbarkeit sogar einen Shkval abfangen. "Mit unserer Technik sind wir international konkurrenzlos“, freut sich Projektleiter Wilhelm Hinding. „und den Amerikanern sind wir nach unserem Wissen zehn Jahre voraus“! Nicht mal ein U-Boot braucht man, um den "Barracuda“ loszuschießen. „Wir können ihn auch in der Luft starten und ihn erst dann ins Wasser eintauchen lassen.“ Entsprechend gross war auch das Interesse, als der Supertorpedo aus Deutschland kürzlich auf der Waffenmesse Imdex in Singapur (Mai 2005) erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Noch weiss man nicht genau, wo und wie sich ausser bei der Abwehr von Torpedos der „Barracuda V3 “ sonst noch sinnvoll einsetzen lässt. Denn eines hat er mit dem „Shkval“ gemeinsam: Es braucht gewaltige Energie, um mit so hoher Geschwindigkeit durchs Wasser zu fliegen. Deshalb glauben namhafte Wissenschafter auch nicht, dass es in absehbarer Zeit Hochgeschwindigkeits-U-Boote gibt. Physikalisch ist das möglich, mit traditionellen Triebwerken wäre es wirtschaftlich nicht sinnvoll. Robert Kulinsky, Forscher am amerikanischen Naval Undersea Warfare Center (NUWC) ist trotzdem davon überzeugt, dass gerade eine Revolution in der Technik des Unterwasser-Verkehrs stattfindet: „Wir stehen heute da, wo einst die Flugzeugkontrukteure nach dem ersten Flug der Gebrüder Wright waren: Ganz am Anfang einer enormen Entwicklung!“
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