Weisheiten der Woche


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Wie glücklich sind die Menschen dieser Erde
von ben.avery@swissroller.net, 31. 7. 2006


Weltkarte des Glücks

Eine Weltkarte des Glücks hat ein britischer Psychologe erstellt. Gemessen am subjektiven Wohlbefinden ihrer Einwohner, belegen Dänemark, die Schweiz und Österreich darauf die besten Plätze. Deutschland kommt unter 178 Staaten auf Platz 35, die Schlusslichter bilden Simbabwe und Burundi.

Das Abschneiden in puncto Glück korreliere am ehesten mit Gesundheit, Wohlstand und Bildung, erläutert Adrian White von der University of Leicester. Diese drei Variablen "korrelieren wiederum sehr eng miteinander, was ihre gegenseitige Abhängigkeit demonstriert".

Für seine Glückskarte nutzte White Daten, die von den Vereinten Nationen, dem US-Geheimdienst CIA und anderen Organisationen veröffentlicht worden waren. Die Daten stammen aus Studien mit insgesamt etwa 80'000 Teilnehmern, bei denen auch Fragen im Zusammenhang mit Glück und Zufriedenheit gestellt worden waren.

Zu den überraschenden Resultaten gehöre unter anderem, dass viele asiatische Länder wie China (Platz 82), Japan (Platz 90) und Indien (Platz 125) relativ schlecht abgeschnitten hätten, erklärt White. "Dabei handelt es sich um Länder, denen ein starker Sinn für die kollektive Identität nachgesagt wird, wie ihn einige Forscher mit dem Wohlergehen in Verbindung gebracht haben." Das Abschneiden dieser Staaten und auch Russlands auf Platz 167 zeige zudem, dass grosse Bevölkerungen nicht unbedingt glücklicher seien als kleine.

Glück
Der Glücksbegriff ist für das Wohlbefinden die wichtigste Komponente und allen anderen übergeordnet. Der Begriff «Glück» (mittelhochdeutsch: «gelücke» = Geschick, günstiger Ausgang, guter Lebensunterhalt) hat im Deutschen drei Bedeutungsfacetten. Alle beziehen sich jedoch auf ein positives, erstrebenswertes Erlebnis. Zum einen versteht man unter Glück den Glücksfall (entspricht dem lateinischen «fortuna» oder dem englischen «luck»), worunter man ein unerwartetes positives Ereignis versteht. Wer jedoch Glück (luck) und Erfolg (success) hat, ist nicht unbedingt glücklich. Auf diese Facette gehen die folgenden Bedeutungsvarianten ein. Glück (happiness) kann auch ein angenehmes Erlebnis von kurzer Dauer sein. Diese Empfindung ist affektiver Art und kann sowohl bei meditativer Verinnerlichung und Entspannung, als auch bei euphorischen Zuständen entstehen. Die dritte Bedeutung von Glück bezieht sich auf ein langfristiges stabiles Gefühl der Zufriedenheit und ist demnach weniger affektiv sondern kognitiv geprägt. Gemäss Muna El-Giamal,
Assistentin am Lehrstuhl für Klinische Psychologie, handelt es sich bei der Empfindung Glück oft um eine Bewertung des gesamten Lebens.

Gibt es den glücklichen Menschen?
Allgemein können glückliche Menschen beschrieben werden als Personen mit positivem Selbstbild, hoher Selbstachtung und befriedigendem Identitätsgefühl. Ihr Selbstbild ist schwer zu verunsichern und gleichzeitig realitätsnah. Natürlich gibt es kaum jemanden, der behaupten kann, immer glücklich gewesen zu sein. Glück und Unglück sind zyklische Prozesse. Psychologische Forschung beschäftigt sich nun vor allem auch mit der Frage, warum Menschen in ähnlichen Lebenssituationen so unterschiedlichen Genuss am Leben empfinden. Auslöser von Glücksgefühlen sind sehr individueller Natur. Für das Glücksempfinden relevant waren zum Beispiel Faktoren wie Qualität der menschlichen Beziehungen, Offenheit der Sinne oder Ruhe und Entspannung.

In einer Studie zur sogenannten «Relativitätstheorie des Glücks» zeigte sich, dass sich Menschen sehr schnell an neue Situationen gewöhnen. Im Längsschnitt wurde die Glückseinschätzung von Lotteriegewinnern (Hauptgewinn) und Unfallopfern (Querschnittlähmung) erhoben. Die Glücksgefühle pendelten sich nach etwa einem halben Jahr wieder ein, was die Glückseinschätzung bezüglich Vergangenheit und Zukunft anging. Ein Erklärungsversuch findet sich in der «Adaption-level-theory», nach der Glückseinschätzungen jeweils an einem individuellen Massstab orientiert sind. Ein herausragendes positives oder negatives Ereignis kann anfangs die Glücks- einschätzung verändern, diese Einschätzung relativiert sich jedoch schnell und Menschen sind dann wieder an ihrem «alten Glücksniveau» angelangt.

Zufriedenheit
Befassen wir uns nun näher mit dem Begriff der Zufriedenheit. Im Englischen finden wir Begriffe wie «satisfaction» oder «contentment». Zufriedenheit stellt zunächst den kognitiven Vergleichs- und anschliessenden Bewertungsprozess von Ist- und Sollzustand dar. Erst danach tritt die affektive Komponente hinzu, das Gefühl des Mit-sich-zufrieden-seins stellt sich ein. Die Betonung auf dem Vergleich von Ist- und Sollzustand bei Zufriedenheit ist deswegen von Bedeutung, weil diese Bewertung für das Empfinden von Glück irrelevant ist. Glück ist der Zufriedenheit übergeordnet, denn Zufriedenheit ist massgeblich am Glücksgefühl beteiligt. Demgegenüber heisst es noch lange nicht, dass ein zufriedener Mensch immer glücklich ist. Glück und Unzufriedenheit schliessen sich nahezu aus, wie in einer älteren Befragung von Noelle-Neumann zutage trat. «Zufrieden, aber nicht glücklich» waren 113 der Befragten, jedoch nur 5% gaben an, «glücklich, aber nicht zufrieden zu sein».

Einflussfaktoren der Zufriedenheit
Es ist eine generelle Frage, ob ein anhaltendes Glücksgefühl möglich ist. Wohl aber erleben Menschen längere Perioden der Zufriedenheit. Eigenartigerweise lässt sich in Studien aus der Zufriedenheit in den Einzelbereichen, z. B. Einkommen oder Vermögen, schlecht das globale Wohlbefinden vorhersagen. Am besten kann die Lebenszufriedenheit statistisch aus der Zufriedenheit mit dem Familienleben und der Ehe vorhergesagt werden. Ungeachtet der statistischen Vorhersagbarkeit steht jedoch an erster Stelle der individuellen Wichtigkeit für Menschen die Gesundheit. Auch wird beschrieben, dass sich Ledige und Verwitwete signifikant weniger glücklich einschätzen als Verheiratete. Jedoch wird darauf hingewiesen, dass diese Effekte heute geringer eingeschätzt werden dürften, da auch andere Sozialbeziehungen als Quelle der Unterstützung und Zufriedenheit angesehen werden.

Auch der Lebenszyklus hat Einfluss auf die Ehezufriedenheit von Männern und Frauen. Hohe Zufriedenheit ergab sich bei Paaren, die verheiratet, deren Kinder aber ausser Haus sind. Ehepaare mit jüngeren Kindern jedoch waren verglichen mit kinderlosen Ehepaaren besorgter, hatten mehr Eheprobleme und fühlten sich als Partner weniger adäquat. Dieses Beispiel zeigt die sogenannte Unabhängigkeit positiver und negativer Affekte. Einerseits kann das Zusammenleben mit dem Partner und Kindern viel Aufwand, Konflikte und Belastungen, jedoch gleichzeitig Freude und Glück bedeuten. Das heisst, innerhalb eines Lebensbereiches ist das Auftreten von sowohl positiven als auch negativen Affekten möglich. Weiterhin kann es Lebensbereiche geben, die positiv besetzt sind (z.B. glückliche Beziehung), und gleichzeitig einen anderen Bereich der eher negative Gefühle erzeugt (z.B. Ärger am Arbeitsplatz).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass objektive Indikatoren für Wohlstand (günstige materielle und soziale Umstände) kein Garant für subjektives Wohlbefinden (Lebensfreude und Wohlfühlen) sind. Es scheint grosse inter- und intraindividuelle Unterschiede in der Fähigkeit zu geben, objektiv günstige Lebensumstände auch in Lebensfreude zu transformieren. Weitere wichtige Einflussfaktoren sind soziale Unterstützung, der Gesundheitsstatus und der tägliche Kleinärger (Daily hassles), der sich besser als kritische Lebensereignisse (wie z.B. Tod oder Scheidung) zur Vorhersage von Wohlbefinden eignet.

Untersuchung zu Wohlbefinden im Tagesablauf
Ergebnisse aus einer Untersuchung, in der 80 Personen über einen längeren Zeitraum ihren Tagesablauf protokollierten, ergaben, dass unabhängig von der Art der Tätigkeit signifikant mehr positive (16,4%) als negative (2,2%) Episoden erlebt werden. Dies stimmt mit den eingangs erwähnten Ergebnissen in demoskopischen Umfragen überein. Ob eine Episode als positiv und mit Wohlbefinden verbunden erlebt wird, lässt sich durch die folgenden Variablen vorhersagen. Als entscheidende Einflussfaktoren für das Gesamtwohlbefinden ergaben sich vor allem die Valenz einer Tätigkeit (wie gerne oder ungerne wurde die Tätigkeit ausgeführt), die momentane Stimmung, ein optimales Anregungspotential der Tätigkeit, Selbstbestimmtheit und ein mittleres Erregungsniveau.

Dies steht im Einklang mit der Flow-Theorie des amerikanischen Psychologen Csikszentmihalyi. Flow bezeichnet das Gefühl des Fliessens, des Aufgehens in einer Tätigkeit. Dieses Gefühl entsteht vor allem dann, wenn eine Balance zwischen Anforderungen und Fähigkeiten besteht. Bei einem optimalen Spannungsniveau kann jede Tätigkeit als belohnend empfunden werden. Sind wir unterfordert oder gelangweilt, oder umgekehrt überfordert, befinden wir uns ausserhalb des Kanals (Flow-Channel)Abb. 2 der uns uneingeschränktes Wohlbefinden ermöglicht.

Aktive Gestaltbarkeit von Wohlbefinden
Zusammen mit anderen Ergebnissen aus empirischen Studien könnte man eine moderate Intensität der positiven Affekte, häufig schöne soziale Erlebnisse, angenehme körperliche Empfindungen und allgemeine Lebensfreude als förderlich für höheres Wohlbefinden nennen. Eine «Sich-wohl-fühlende» Person wäre jemand, die das Leben gut «meistert», geniessen kann und zusätzlich zu einem gut ausgeprägten Selbstwertgefühl, Autonomie und Kontrollüberzeugung auch noch Sinn für die Realität hat und aktiv im Leben steht. Dies sind Einflussfaktoren für Wohlbefinden, deren Vorteile darin liegen, dass sie subjektiv aktiv steuerbar und gestaltbar sind. Der Nachweis längerandauernder Effekte von existierenden Programmen speziell zur Förderung von Glück und Wohlbefinden konnten zwar bislang nicht nachgewiesen werden, jedoch finden sich Aspekte der Wohlbefindensförderung in vielen evaluierten psychologischen Präventionsprogrammen wieder.